1968 Bettelhochzeit

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1968 Bettelhochzeit

Bettelhochzeit Emmering
Veröffentlicht in 1968 · Montag 04 Mär 1968 ·  2:45

(4 MB) Historischer Rückblick - Zusammengestellt von Pankraz Spötzl


Hoch lebe das Bettelpaar: Borisiana vo da Hofburg und Naziliki vo da Hirschau


Die Trauung auf dem Misthaufen

Mit  einer Hand zog die starke Braut den sich heftig stäubenden, einen Kopf  kleineren Ehemann auf ein Gerüst, das über einen Misthaufen errichtet  worden war. Dann quetschte sie nach heftiger Massage das Ja-Wort  aus ihm heraus. Dem armen Mann blieb nichts anderes übrig, denn sonst  hätte das Misthaufengerüst wahrscheinlich zu einer Hinrichtung gedient.  Für ihn gab es nur die Alternative: Heirate oder stirb. Der Mann  heiratet. Aber bis es dazu kam wurde bei der Emmeringer Bettelhochzeit  soviel gelacht wie kaum zuvor in diesem Fasching.

Schon  ab Sonntagmittag waren in Emmering fast nur Masken zu sehen. Ein langer  Zug mit Hochzeitsgästen formierte sich unter dem lauten Blubbern von  Bulldogs, Geknall und Geschrei. Sogar ein Vetter aus China“ war  gekommen, um dieses außergewöhnliche Ereignis nicht zu versäumen. In der  Schaufel eines Schaufelbaggers schwebte ein besonders feines Pärchen.  Zuschauer und Bettlerverwandtschaft wogten durcheinander, vor lauter  Leuten waren die Häuser in Emmering kaum mehr zu sehen. Schalldorf  hatten einen Wagen mit Hochzeitsgeschenken geschickt, die vor allem aus  durchlöcherten Unterröcken bestanden.

Die Braut, Borisiana von  der Hofburg (Liborius Trenkler), die wie ein alter Baum aussah, brachte  allerhand in die Ehe mit. Zum Beispiel drei Kinder, die natürlich im Zug  mitzogen und ein Plakat bei sich hatten: Mi der Pille wäre das nicht  passiert“. Ein Wagen mit müden Hühnern und Karnickeln folgte, als der  Zug sich unter Beifall endlich in Bewegung setzte. Selbst ein  halbfertiges Haus, in dem das hohe Paar wohl später wohnen wird, wurde  im Zug mitgeführt. Nur war von den Maurern nichts zu sehen. Ein Schild  gab Auskunft: Still ruhet der Bau, die Maurer schlafen“. Die Maurer  schliefen aber nicht, sondern kamen einen Wagen später und machten  heftig Brotzeit. Viele andere Fahrzeuge schlossen sich an. Sogar die  schnellste Feuerwehr, die in Emmering nach einem Brand eintraf, war mit  dabei. Wahrscheinlich waren noch nie so viele Leute um einen Misthaufen  versammelt als Brau Borisiana und Bräutigam Naziliki von der Hirschau  (Ignaz Spötzl) das Podium auf dem Misthaufen erklommen. Aber zur Trauung  kam es noch lange nicht. Hochzeitslader und Narren-Bürgermeister“ mussten dem traurigen Paar lange zureden, bevor sie sich doch noch nicht gleich entschlossen ihr Ja-Wort  zu geben. Die fast zwei Meterlange Braut mit dem Holzfällergesicht  bekam es nämlich plötzlich mit der Rührung. Dicke Tränen fielen auf das  Publikum, als sie sich über das Geländer beugte.

Verzweifelt  suchte der winzige Bräutigam sie zu trösten. Unaufhörlich schrie die  nicht mehr junge Braut nach ihrer Mama. Aber die Mama konnte auch nicht  helfen. Schließlich rückte der Bräutigam mit einer Leiter der Braut auf  den Haut. Er legte sie an und kletterte zu seiner Braut empor. Diese  mutige Tat brachte ihm die Sympathie der Zuschauer ein. Auch die Braut  schien beeindruckt


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